Was heißt es un-/politisch zu sein? Sind wir unpolitisch wenn wir uns zu politischen Veränderungen nicht äußern? Sind wir politisch, wenn um uns herum eine menschenverachtende und umweltzerstörende Politik betrieben wird und wir in der Öffentlichkeit unserer Blogs einzig um Wohnaccessoires, Handtaschen, Wimperntusche, Urlaubsressorts, Babydecken, Bestsellerromane, Apps, Kürbissuppe und Yogamatten kreisen? Und während sich die Fremdenfeindlichkeit in die Mitte der Gesellschaft schraubt, drehen wir der Mitte unermüdlich unsere Dönekes an? Ist öffentliches Schweigen politisch? Ich sage, ja – Schweigen wird politisch, wenn laute Stimmen den politischen Tenor kippen.
So anonym das Fremde wirkt, so immer weniger anonym ist der öffentlich ausgetragene unverhohlene Hass in Kommentarspalten und auf unseren Straßen und Plätzen zu Anlässen von Gruppierungen und Parteien, die es ohne Hass nicht gäbe. So fremd und emotional unerreichbar die Erlebniswelt von Geflüchteten, so fern die Kompetenz des Umgangs. So entfernt die Kriegserfahrung in unserem Land, so leichtfertig der Umgang mit rechten Parolen. So gefangen in der Annahme der eigenen Unsichtbarkeit und Bedeutungslosigkeit, so holprig polternd nachgeplappert kurz die ausgekotzten Parolen. Mit Hass wurden noch keine Probleme gelöst, jedoch legt Hass die Probleme unserer Gesellschaft unter die Lupe. Schauen wir hin!
Schauen wir in die Gesichter der Besorgten und Fremden, hören ihre Geschichten, verliert Fremdenhass die nötige Distanz. Distanz schützt. Wichtig. Nähe schafft Verständnis und die Chance auf Verständigung. Wichtig. Hier zu wählen, bedarf der persönlichen Auseinandersetzung, der privaten und politischen.
Flucht
Die Flüchtlingskrise, die wörtlich die Krise mit den Geflüchteten verbindet, nicht mit den Ursachen von Flucht, ist eine der jüngeren gesellschaftlichen Herausforderungen, die viele inhaltlich meistern. Andere jedoch machen sich diese Begrifflichkeit, wörtlich an der Oberfläche ihrer fremdenfeindlichen Gesinnung, zunutze.
So wird ‘der Flüchtling’ zur anonymen Zielscheibe, losgelöst von Fluchtursache und Lösungsinteresse. Seine Erlebnisse sind nicht zu vereinheitlichen, die Geschichten sind komplex und passen damit nicht in die Welt des alltäglichen Journalismus’ mit klarem Anfang und absehbarem happy end. Die Medien als Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Inhalten in der Öffentlichkeit, stehen ein für Pressefreiheit, für freie Meinungsbildung, -vielfalt und -äußerung, für Demokratie und Transparenz in der Politik. Wenn es jedoch um die daraus resultierende Verantwortung geht, bleibt es zu oft an der knackig formulierten Oberfläche. (Ein guter Beitrag dazu hier.)
Fluchtgründe
Flucht und Klimawandel sind eng miteinander verwoben. Unser Umgang mit Energie, Mobilität, Ernährung und Produktion löst Erderwärmung aus, Dürre, Brand, Sturm, Überschwemmung, Gletscherschmelze, Steigen des Meeresspiegels, Verkleinerung von Landflächen = Fluchtgründe. (Wissenswertes dazu hier.) Wir sind mitverantwortlich, daher die Auseinandersetzungen zu Themen der Nachhaltigkeit hier auf dem Blog – im Kleinen und großen Ganzen, zum Anregen, Austauschen und Weiterspinnen.
Was können Blogger*innen?
Blogger*innen verknüpfen den neuen Lippenstift mit einer Reise nach Paris, erzählen vom Freundinnenwochenende und landen bei der neuen Produktlinie eines Lebensmittelkonzerns, erzählen von Morgenroutine und spannen den Bogen zum Online-Blumenabo und flechten noch das florale Schnittmuster der Bluse ein. Wir schreiben gern, wir erzählen Geschichten, schaffen Zusammenhänge, bauen Brücken!
Wir reden über Bodypositvity, unseren persönlichsten Auseinandersetzungen mit falschen Glaubenssätzen, ihren Ursprüngen und setzen Ziele. Wunderbar, wie befreiend und stärkend! Wir lesen von psychischen Erkrankungen, Tabus werden gebrochen. Wunderbar, wie wertvoll und verbindend! Wir werden partiell privat und wissen um den wohltuenden und notwendigen Befreiungsschlag!
Blogger*innen setzen sich mit Inhaltsstoffen von Seifen, Materialien und Brotaufstrichen auseinander. Sie recherchieren Lieferketten von Produkten und weisen darauf hin, dass Attribute wie ‘Regionalität’ nicht nur für eine grüne Haltung steht, sondern auch von brauner Ideologie geprägt sein kann. Wir wägen ab, ob wir nun Influencer sind oder nicht, beziehen Stellung zum Sinn und Unsinn von Werbekennzeichnung. Ab und an teilen wir eine Petition, verschenken Herzchen unter systemkritischen Beiträgen und manche feiern so viel Ehrlichkeit (die keine ist, sonst wäre es eine Ausnahme der Lüge (kurze These in Sachen Wortverwechslung)). Wissen teilen und Stellung beziehen ist wichtig!
Was hält uns von politischen Inhalten ab?
Meine Denke des ‘ich kenne mich nicht gut genug aus um den Mund aufzumachen’ hielt mich lange ab, um das was ich schreibe, zu sagen, gar zu veröffentlichen. Das ist Bullshit und ich möchte Mut machen! Es braucht keinen Doktortitel in Politik, keinen Master in Geschichte, keine Professur der Volkswirtschaftslehre oder den nahenden Pulitzerpreis um für Gerechtigkeit und gegen Menschenverachtung einzustehen. Fehler lassen sich korrigieren, grundlegend sind Herz und Verstand. Check – haben wir!
Unsere Geschichte, Widerstand im 2. Weltkrieg
Uns so sind jetzt Anekdoten dran. Kurze Erzählungen des Widerstands aus der eigenen Familie, die daran erinnern, wie entsetzlich, abscheulich und skrupellos Rassismus ist. Solch eine Ideologie darf sich niemals wiederholen!
Das Kriegskind
Meine Mutter, oben auf dem Bild mit 6 Jahren, wurde 1940 als Kind einer Familie mit Landwirtschaft geboren. Der Vater im Krieg, lebte ihre Mutter als Zugezogene Bauerstochter auf dem Hof mit den Eltern und Geschwistern ihres Mannes.
Als Kind bekam meine Mutter die Kriegszeit nur sehr vage mit und konnte sich erst mit den Jahren Erlebtes durch Erzählungen zusammenreimen. Zunächst sei ihr Großvater Hugo begeistert gewesen von der Stärke und Kraft die in den Vorkriegsjahren durchs Land ging. Als der Krieg in vollem Gange war, fanden in seinem Wald an einem Brunnen Tötungen durch Ordnungskräfte statt – Kriegsrecht vor Eigentumsrecht. Der Brunnen wurde zum Grab, das Grab zur sichtbaren Drohung. (Den Brunnen gibt es heute noch.) Im Alltag jedoch galten Hugos Regeln vor denen des Naziregimes.
Das Mädchen aus dem Osten
Maria kam aus Russland. Die Väter im Krieg, musste im Land die Ernährung gesichert bleiben, auf dass keine Kriegsmüdigkeit aufkomme. Zwangsarbeiter*innen wurden aus dem Osten deportiert und arbeiteten in deutschen Fabriken, bei Privatleuten, auf dem Land. In der rassistischen Ideologie der Nazis dienten Osteuropäer*Innen als ‘Menschenmaterial’. Oft starben die Zwangsarbeiter*Innen in den Fabriken nach wenigen Monaten an Hunger, Misshandlungen und Erschöpfung und wurden gegen neues ‘Material’ ausgetauscht. Auf dem Land in Privathaushalten ließen sich die Gesetze für den Umgang mit Ostarbeiter*Innen wesentlich schlechter durchsetzen.
Das stets zur Erkennung der Herkunft dienende Emblem ‘Ost’ wurde bei Kontrollbesuchen schnell wieder angenäht (siehe Foto). Maria wohnte mit im Haus, sie arbeitete wie jede*r andere, sie kümmerte sich um die Kinder. Maria wurde ein Teil der Familie, wurde integriert, nicht separiert. Maria saß zu den Mahlzeiten mit am Tisch. Meine Mutter hat heute noch im Ohr, wie Opa Hugo skandierte:
“Wer zusammen arbeitet, isst zusammen!”
Aus den eigenen Reihen
Auf dem Foto oben ist Hugo rechts im Bild, Else links daneben am Kartoffelkarren. Else war die Tochter einer einfachen Arbeiterfamilie aus der Kleinstadt im Tal. Die Familie war auf dem Hof als Kunde bekannt. Hugo und seine Frau Lina erfuhren von Elses starker Sehschwäche, die auch schon ihre Mutter hatte. Bei einer ärztlichen Schuluntersuchung wurde die Schwäche diagnostiziert und Else kam auf die ‘Liste’. Auf die Liste ‘unwerten Lebens’ – Behinderungen, Erbkrankheiten gehörten in der Zeit des Nationalsozialismus’ ausgerottet.
Als Landwirt mit Besitz, der Jägerschaft, die in seinem Wald jagen durfte, hatte er gute Kontakte zu den ‘Männern der Stadt’. Mit dem Arzt vereinbarte er, dass Else auf den Hof kommt. So ganz klar ist nicht, warum der Hof als Schutz galt, aber er wurde zu Elses zweitem Zuhause – in Sicherheit.
Als zum Kriegsende Plünderungen anstanden, waren wiederum Elses Eltern in der Stadt, für die Frauen und Kinder der Familie meiner Mutter ein Zufluchtsort, sie sollten die Plündereien und ggf. Misshandlungen nicht miterleben.
Was können wir konkret umsetzen?
1. Lasst uns Geschichten erzählen, Erlebtes unserer Eltern und Großeltern nicht vergessen. Lasst uns Fragen stellen, Anteilnahme ausdrücken, Zusammenhängen auf den Grund gehen und Stellung beziehen! Ob als Blogger*in, Mutter, Freund, Arbeitskollegin, … an der Käsetheke, im Bahnabteil oder Tennisclub. Ich zuletzt im Yogastudio beim Tag der offenen Tür, als ich eingeladen war über Nachhaltigkeit zu reden – wer hätte das dort in dem Zusammenhang erwartet – ich nicht.
2. Lasst uns auf Demos gehen, zusammen für unsere Werte einstehen! Bestenfalls finden sich Gleichgesinnte, gar Initiativen bei denen unser Unmut, unsere Ohnmacht verstanden wird und unser Tatendrang Bestes voran bringt.
3. Lasst uns immerzu bewusst sein, dass wir die politische Wahl haben und lasst uns dieses hohe Gut nutzen, es ist ein Privileg. So schwer es ist, die richtige Partei für sich auszumachen, ein Maximum an Übereinstimmung zu finden, eine Protestwahl fördert das Gegenteil von Einvernehmen, gibt den üblen Stimmen Raum.
Vielen Menschen geht es per Geburtsort als unverdientem Zufall so verdammt gut, dass sie keine Notwendigkeit sehen, aktiv politisch zu sein. Viele haben das Glück nicht, haben nicht die Kraft, werden gar in ihrem Land nicht gehört, schlimmstenfalls verfolgt. Hier sind wir doppelt gefragt, ich empfinde es als Verantwortung, unsere Stimme für die zu erheben, die keine haben.
4. Lasst uns dafür einstehen, dass eine politische Haltung kein Hobby ist, sondern Notwendigkeit! Floskeln wie ‘jeder hat so seins’, ‘jeder wie er meint’, ‘leben und leben lassen’, ist nicht selten eine gefährliche Gleichgültigkeit unter dem Deckmantel einer falsch verstandenen Toleranz.
Während junge Mädchen und Jungen in den Blogger- oder Youtubeolymp aufsteigen wollen, höre ich in meinem Umfeld wie sich Blogger*innen über die Begrifflichkeit ‘Influencer*in’ echauffieren und davon distanzieren möchten. Warum? Warum überlassen wir bedeutende Worte leeren Taten? Nutzen wir doch die Chance der öffentlichen Stimme, füllen Worte mit essenziellen Inhalten und nehmen Einfluss wo er notwendig ist!
Die gute Idee der Reihe #bloggergegenrechts wurde von den Fashion Changers initiiert, damit sich mehr Menschen mit einer medialen Stimme klar gegen Rechts positionieren. Unten sind die teilnehmenden Blogger*innen aufgelistet – schaut bei Ihnen vorbei, lest, kommentiert, teilt und schließt Euch an, ob per #bloggergegenrechts bei Instagram oder Blogpost!
Liebe Grüße . Maren
24.09. | Jana Braumüller von Not another Woman Mag
25.09. | Vreni Jäckle von Jäckle & Hösle
26.09. | Johanna Misfeldt von Mintundmeer
27.09. | Nina Lorenzen von Pink & Green
28.09. | Bente Singelmann vom Peppermynta Mag
29.09. | Alf-Tobias Zahn von GROSSVRTIG
30.09. | Phoebe Nicette von Phoenomenal
01.10. | Mia Marjanovic von heylilahey
02.10. | Franziska Schmid von Veggie Love
03.10. | Ester Rühe und Anna Kessel von Die Konsumentin
04.10. | Sophia Hoffmann / Sophia Hoffmann
05.10. | Laura Mitulla von The Ognc
06.10. | Jenni Hauwehde von Mehr Als Grünzeug
ich
08.10. | Bina Nöhr von Stryletz
09.10. | Ann Cathrin Schönrock von Fashionfika
10.10. | Magdalena Muttenthaler von Free Mindes Folks
11.10. | Maren Wilczek von Average Pony
12.10. | Rita Schneider von Frau Schneider tut.net
Fotocredits Collage:
Alf-Tobias Zahn, fotografiert von © René Zieger
Phoebe Nicette, fotografiert von © Lydia Hersberger
Vreni Jäckle, fotografiert von © Anna Steinert
Franziska Schmid, fotografiert von © Grit Siwonia
Liebe Minza, danke für den Beitrag, der hoffentlich noch einige Blogger wachrütteln wird! Auch ich habe zu dem Thema schon was geschrieben und würde mich sehr freuen, wenn du mich noch in deine Linkliste aufnimmst.
http://www.pfauen-auge.de/2018/09/19/deutschland-quo-vadis/
Liebe Grüße,
Amely
Hallo Minza, leider wurde mein Kommentar irgendwie geschluckt oder blockiert. Ich habe Mitte September auch über das Thema geschrieben und würde mich gern verlinken.
Liebe Grüße,
Amely
Hallo Minza, ich hab hier schon paar mal kommentiert, jedes Mal wurde mein Kommentar geschluckt oder nicht beantwortet. Bestimmt hast du viele Leser und kannst nicht auf jeden Kommentar eingehen. Ich finde es aber trotzdem schade, denn wenn wir in puncto Nachhaltigkeit oder gegen Rechtsextremismus was erreichen wollen, dann müssen wir uns verbinden. Nur gemeinsam können wir was bewegen!
Liebe Amely,
oha, da ist mir was durch die Lappen gegangen… Ich bin neu bei WordPress und muss noch einstellen, dass ich über neue Kommentare (wie vor WP) informiert werde. Geblockt wird hier niemand, ich wüsste auch gar nicht wie! 😉 Wie Du siehst, die Kommentare sind rar (geworden, das hat sich zu Instagram verlagert) und wie Du an Deinem siehst, nicht mal thematisch eingehend. Was natürlich okay ist, nur schade, aber ich danke Dir die funktionale Rückmeldung!
Die Fashionchangers, von denen die Aktion ausgeht, sind im Text verlinkt um mitzumachen, es werden sicher weitere Aktionen folgen!
Liebe Grüße . Maren