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Neben der Begeisterung für das städtische Treiben in Stockholm, haben sich die stillen Momente besonders tief ins Herz der Erinnerung gepflanzt.Weinend im Museum, selig in den Schären.
Aber beginnen möchte ich mit einem 50/50-Fauxpas. Auch ein stiller Moment, aber hier waren pieksend Herz- und Moralabteilung beteiltigt. Wo auch immer ich in Deutschland in Freilichtmuseen war, gab es alte Häuser zu sehen, Wiesen, altes Handwerk, ob Korbflechter oder Brotbäcker. Das einizige was da an Getier rumfleuchte war freiwillig da. Bienen, Käfer, Schmetterlinge…
So. Nun ging es an einem Morgen ins Stockholmer Freilichtmuseum Skansen. Ja okay, bin dabei. Warum auch immer, so richtig realisierte ich es erst als ich da war, da gibts nicht nur Häuser, Handwerk und Bienen, nein, Skansen hat n fetten Tierpark und ich mag sowas nicht. Artgerechte
Tierhaltung ist, dass es keine Haltung gibt, sondern Freiheit. Ist jetzt n weites Thema: Zebras, Kängurus, Ziegenböcke – nein, aber Meerschweinchen, Hunde und Katzen – ja? Erhaltung der Bestände in artfremder Umgebung, Ethik desTierschutzes … Soll jetzt alles nicht das Thema sein. Als ich an dem Aquahaus vorbei ging, in dem sich Robben und so befinden sollten, und als ich dann gerade wach werdenden Rentieren gegenüber stand, war das einfach mal kein gutes Gefühl. Fasziniert von der Schönheit der Tiere fühlte ich mich nicht nur wie ein gaffender Störenfried, ich war einer. Auch wenn hier mal meine Kamera, die prokrastinierenderweise immer noch nur mit
Teleobjektiv draußen funktioniert, sinnvoll war: Möglichst weit weg, das schöne Tier fotografiert. Grmpf.
Alles andere in diesem Freilichtmuseum ist toll! Ich hätte nur zu gern wie in alten Zeiten eine Horde Kinder dabei gehabt. In einzelnen Häusern sind Damen und Herren die märchenhaft in ihren Rollen von längst vergangenen Zeiten erzählen und z.B. nach den Wehwehchen fragen, Kräuter mahlen und wohlriechende Tinkturen anmischen. Es gibt reichlich zu essen und Getränk, an Feuerstellen, in Backstuben,… Handwerk zu sehen und Schönes aus Holz, Keramik, Glas und Wolle zu kaufen. Alles sehr liebevoll.
Das Schönste waren die verschiedenen Häuser und Hütten, Gärten, Wiesen, die Wege und umher gehenden Menschen in Kleidung vergangener Zeiten. Und all das in dieser besonderen Lichtstimmung am Morgen mit goldenem Herbstlaub und mit einem wunderbaren Blick über Stockholm.
Wieder unten in der Stadt steht an jeder Ecke irgendwas wo man sich fragt: Was isses? Vom wem? Wofür? Sei es z.B. das Stadshus am Wasser, erbaut zwischen 1911-1923. Der Bau mit Innenhof, prominentem Eckturm und Säulengang bietet nicht nur einen tollen Blick auf die Stadt, sondern scheint für Fotofreunde ein Magnet zu sein. Selten so viele Knipser auf einem Haufen gesehen!
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Der gemeine AC/DC-Fan in kurzen Hosen schweigt und genießt bei klirrender Kälte die Aussicht. |
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Hauptbeschäftigung: Fotografieren. Ob Touristen oder heimische Fashionbloggerinnen. |
Die herausstechende silbrig schimmernde Fassade des Waterfront Kongresszentrums hatte ich noch aus einer Architekturzeitschrift im Hinterkopf. Schön sie in echt zu sehen und wunderbar die sich stets verändernde Lichtreflektion durch Licht, Wolken und Farben am Himmel.
White Arkitekter
2011 fertiggestellt
Jetzt kommt’s!
Wir waren ja Anfang November in Stockholm und hatten von erwarteten fünf Tagen einen Vormittag lang Regen. Na endlich 😉 und perfekt für einen Museumsbesuch. Auf der Wunschliste stand (auch unabhängig vom Regen) das Fotografiska Museum. Das ist privat geführt und hat eine der weltgrößten Kunsthallen für zeitgenössische Fotografie. Wusste ich nicht, dann aber. Das Jugendstilgebäude liegt direkt am Hafen auf der Insel Södermalm. Neben Ausstellungen finden hier
Workshops und Vorlesungen statt, in einen konnte ich reinlinsen – beste Arbeitsatmosphäre. Das Museum ist in der Tat groß, ich war nach der ersten Etage so gesättigt, dass alles andere nur noch an mir vorbeiflog – Herz wegen Überfüllung geschlossen. So schade. Bis es sich dann aber oben wieder… Von vorne.
Wie immer wurden wir herzlich empfangen. Nein, man hatte nicht auf uns gewartet, aber das Gefühl das viele Stockholmer einem in Läden und eben diesem Museum vermitteln ist einfach besonders. Kein gekünsteltes Grinsen, ein netter Plausch über dies und das, wohl gefühlt die Jacken abgelegt und losgelegt.
Nach der hellen Empfangshalle mit dem üblichen Sortiment an weniger üblichen Büchern und Designgedöns wurde es zur ersten Ausstellung im Erdgeschoss dunkel. Und damit begann das Drama auf beste Weise.
Eine Ausstellung des Photo-Journalisten Paul Hansen über Kriege, Flucht, … tiefstes Leid hüllte uns unausweichlich in die Dunkelheit und öffnete den Blick in abscheulichste Greueltaten. Es war nicht meine erste Ausstellung zu dem Thema, aber die für mich wohl berührendste. Das liegt weniger an den Themen, als an der Ausstellungsform. Die Dunkelheit schluckte die anderen Besucher, das Licht gab lediglich die Fotos und die dazugehörenden Texte preis. Ich, das Bild, der Text. Es entstand unweigerlich eine Intimität, die die sonst übliche Ablenkung und vor allem die Contenance ‘nicht in der Öffentlichkeit weinen’ hinfällig werden lässt. Jeder triste Blick in die Augen eines Soldaten, Schmerz, Hass, unendliche Trauer von Vätern Brüdern Schwestern Feunden…, ohnmächtige Mienen der Frauen, wie Grausamkeit zum Alltag wird, die zerbombten Straßen die einst Heimat waren, die rollenden Panzer im bislang friedvollen Straßenbild, Geburt, spielende Kinder und Hochzeit trotz allem – die Texte die Szenen beschreiben, auch die die nicht fotografiert wurden – jedes Wort, jeder Blick, trifft ungefiltert ins Herz.
Dass mir nicht nach Fotografieren zumute war, obwohl erlaubt, erklärt sich von selbst. Ein paar Bilder hier und hier und hier und hier und hier die so kaum das Ausmaß wiedergeben, vielleicht eine Ahnung.
Die weiteren Fotos in den Hallen der oberen Etagen konnte ich nicht mehr richtig wahrnehmen. Ein paar Bilder, mit dem schlechten alten Handy geknipst, sah ich und wusste, sie wären einen extra Besuch wert, wie überhaupt so viele Ausstellungen die ich auf der Internetseite des Museums sehe. Das Fotografiska ist meiner Meinung nach ein Muss für jeden Ausflug nach Stockholm!
Wir schraubten uns das Treppenhaus von Etage zu Etage nach oben. Im Dachgeschoss befindet sich das Restaurant und Café, lesen wir. Ach joa, jetzt son Tee oder so… Bääm! Schwarz getünchte Wände, Silhouetten von Sitzplätzen und Menschen, bodentiefe Fenster die hell wie sie sind beim Herantreten jeden Ausblick zum Gemälde rahmen. Es tat gut, da oben über Stockholm zu schauen, den Blick im Wasser zu verlieren, den köstlichen Kuchen am Gaumen, den warmen Tee die Kehle entlang und nachzufühlen – das unfassbare Glück, einfach nur zufälliges unverdientes Glück, die Fotos zu betrachten, mitzufühlen und nicht deren Inhalt zu sein, hier und jetzt dieses Leben so frei und sicher leben zu dürfen. Irre, beschämend, demütig.
Fotografiska
Stadsgårdshamnen 22, Södermalm
Ein neuer Tag und zum Schluss des Posts, Balsam für die Seele. Das Boot legte am Hafen von Stockholm ab, die Bebauung wurde weniger, städtische Kulisse, kantige Wohnbunker, Industrieanlagen und all die Eindrücke traten in die Ferne. Die Augen kamen zur Ruhe, der Wind wirbelte die Haare durcheinander, die Landschaft wurde sanft, der Atem tief. Der Blick streifte schroffe Felsen, weiches Grün und kleine Holzhäuser die ‘Zuhause’ riefen. Dabei bitte an das erste Bild ganz oben denken. ♥
Irgendwo stiegen wir aus. Vaxholm heißt der Fleck im Schärenmeer. Gewöhnt in Sachen Stadterkundung, zog es uns in die Einkaufsstraße in der so wenig los war wie am Heilig Abend in der Kölner Haupteinkaufsmeile, also nix. Groß ist die Insel nicht, wir begegneten immer wieder den Leuten die auch auf dem Boot waren. Anheimelnd begannen wir uns zu grüßen, ein paar Worte zu wechseln, wie das eben so ist in der neuen Nachbarschaft.
Die Tipps zum Sightseeing, Shoppen und Cafétieren hielten sich in Grenzen und nachgeschaut, waren sie auch weniger unser Ding. Wir kletterten auf einen kleinen Berg und stellten oben fest, dass wir uns auf einem Privatgelände von Turmbesitzern befinden. Beeindruckend! Nunja, schnell wieder runter. Naivität und Sprachbarrieren (Schilder standen da, aber was drauf stand…) können so schön sein!
Wir bummelten weiter die kleinen Straßen und Trittpfade im Osten der Insel entlang, zwischen rosa, gelben und blauen Holzhäusern für Mensch und Tier, mit alten Rosenstöcken und Stegen auf dem stillen Wasser. Ich finde, hier kann man bleiben.
Und immer immer wiederkommen.
Alle Tipps zum Essen, Shoppen und Kulturgenuss → auf der digitalen Karte für Euch zum Mitnehmen.
Liebe Grüße . Minza will Sommer und Maren will wieder nach Stockholm
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